Freitag, 12 April 2024 12:17

TREFFEN WINFRIED LEIBOLD

Nein, Du bist nicht vergessen – Winfried Leibold starb vor acht Jahren im Hospiz

Der Tod gehört zum Leben. Das sagt sich so leicht. Aber wie ist es, wenn man selbst betroffen ist. In jungen Jahren ist das Ende weit weg. Das denken viele. Aber von jetzt auf gleich steht Gevatter Hein vor der Tür und reißt dich aus dem Leben. Unglück, Unfall, Krieg, Mord, plötzlicher Herztod. Kaum jemand ist vorbereitet. Das Abschiednehmen bleibt jetzt den Angehörigen in der extremen Situation überlassen.  Zum Trauern keine Zeit. Gott sei Dank ist das die Ausnahme

Aber was geschieht bei den Menschen, die trotz aller ärztlichen Kunst gehen müssen. Für immer. Das Todesurteil des Mediziners: Wir können leider nichts mehr für sie tun. Austherapiert.

Es gibt einen Weg, einen schweren, aber gangbaren.  Einer kannte genau die letzte Phase. Winfried Leibold, 78 Jahre alt, ehemaliger Lehrer. Der Krebs hatte seine Lunge, seine Leber befallen, gestreut, wie es die Mediziner sagen.  „Ich gehe ins Hospiz. Aufrecht, bevor ich hineingetragen werde.“ Und so tat er es vor genau acht Jahren im Spätherbst. Er ging in „sein“ Hospiz in Essen-Steele. Das kannte er nämlich gut, weil er dort ehrenamtlich gearbeitet hatte. Den Tod hat er hier bei anderen erlebt. Und er kann süß sein. Der pensionierte Lehrer nahm den Kampf auf, gegen den Tod. „Ich will nicht, dass er mich holt, ich werde nicht auf ihn warten. Ich will ihm entgegenstehen“, notierte er dem WAZ-Redakteur Thorsten Schabelon in den Notizblock. Er wollte bewusst, dass sein letzter Lebensabschnitt öffentlich wurde. Noch in dieser schweren Zeit, warb er für diesen besonderen Ort. Ein, nein sein Spannungsbogen. Als Lehrer hat er jungen Menschen den Weg ins Leben ermöglicht, jetzt zeigt er auf wie das Ende sein kann.

Winfried erlebte, im wahrsten Sinne des Wortes, sein Lebensende. Fünf Wochen von lieben Menschen umgeben, seiner Partnerin, seiner Tochter, seinem Sohn, den Enkeln, Verwandten und Freunden. Er ließ sogar die Begleitung im Internet zu. Der pensionierte Polizeibeamte Uwe Klein nahm nach dem Artikel in den Tageszeitungen über „seinen Fall“ Verbindung auf. Mit der Kamera und kurzen Texten dokumentierte er die Tage in seinem Blog. Da war Winfried Leibold wieder ganz der Öffentlichkeitsarbeiter für sein Hospiz in Essen-Steele.

Das Zimmer Nr. 7 war eigentlich immer voll. Wünsche wurden erfüllt. Es wurde geweint und gelacht. All das ohne Schmerzen für den Gast, der hier so bezeichnet wird. Es sind keine Patienten, betonen die hauptamtlichen und ehrenamtlichen Sterbebegleiter. Der Tod ist eigentlich hier ausgesperrt. Bis zu dem Zeitpunkt, wo man ihm die Tür öffnet. Wenn nichts mehr hilft, außer Schmerzlinderung.

Winfried oder wie seine Liebsten sagten „Winni“ hatte noch einen Wunsch. Er wollte seinen Geburtstag hier feiern. Alles war für diesen Tag vorbereitet. leider kam es nicht mehr dazu. Der 78-jährige schlief friedlich in Begleitung seiner nahen Angehörigen ein.

Seinen Abgang hatte er vorbereitet. Getränke, Brötchen, Baguettes, Gemüsesuppe sollte es geben, bloß keinen Beerdigungskuchen.  Gershwins Klavierkonzert in F-Dur sollte die Trauergemeinde hören, sein Lieblingsstück. Auf den Einwand seiner Tochter Simone:“ Papa, das Stück dauert fast 14 Minuten“, erwiderte er:“ Da müssen sie durch. So war mein Leben. Laut, leise, schnell, langsam.“

„Winni“ Leibold starb zwei Tage vor seinem 79. Geburtstag. Jetzt gab es ein Wiedersehen seiner Partnerin Beate, seiner Tochter und Menschen, die im nahe waren, in dem Ort, den er mochte und von dem er sich verabschiedete. Der kleine Kreis feierte den Geburtstag. „Tot ist nur, wer vergessen wird“, heißt es in vielen Traueranzeigen. Das ist Winfried Leibold beileibe nicht.

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